• Wirksam – weil oder obwohl wir agil arbeiten?

    In den letzten Monaten durfte ich lernen, dass wirksames und erfolgreiches Arbeiten nicht kausal davon abhängt, ob wir nach agilen Methoden handeln oder nicht. Eine Methode anzuwenden, garantiert nicht, dass eine Organisation denselben Erfolg haben wird, den die Methode verspricht.

    Viele suchen deshalb nach der „passenden“ Methode für ihre Organisation, probieren viele Methoden aus und werfen sie wieder in den Papierkorb, weil sie irgendwie nicht die Richtigen sind. Wie könnten sie auch – bestehen sie doch aus einer individuellen Zusammenstellung aus Werkzeugen, einzelnen Denkarten, die unter speziellen Rahmenbedingungen wirksam waren.

    Leider verschwinden dabei häufig auch diejenigen Werkzeuge im Papierkorb, die die Methoden mitbringen. Im passenden Moment angewendet, könnte ein solches Werkzeug für sich durchaus wirksam sein.

    Rahmenbedingungen

    Deshalb finde ich es spannend, einmal nach Werkzeugen zu suchen, die in agilen oder nicht-agilen Methoden zu finden sind und sich in möglichst vielen Erfolgsgeschichten wiederfinden. Ein solches Werkzeug ist die Frage nach den Rahmenbedingungen für Wirksamkeit und Erfolg.

    In seinem Video „Agile vs. Kanban: which is better?“ stellt Dave Farley vor, welche Merkmale unterschiedliche agile Methoden haben und in welcher Beziehung sie zueinanderstehen. Ich habe daraus mitgenommen, dass „Scrum“ und „Kanban“ beide als agile Methoden betrachtet werden können.

    Scrum legt dabei für einen definierten Zeitraum (als Sprint bezeichnet) fest, welche Aufgaben zu erledigen sind, um am Ende eine neue, nützliche Funktion zur Verfügung zu stellen. Erkenntnisse und neue Ideen, die während dieses Sprints entstehen, werden frühestens im nächsten Sprintzyklus berücksichtigt. Der Prototyp für die coolste Idee der Welt kann erst am Ende der nächsten Iteration ausprobiert werden.

    Kanban verzichtet auf einen solchen Time-boxing Ansatz und verfolgt das Prinzip des „Single-piece-flow“ bei dem ein Mitglied des Teams immer für ein Arbeitspaket zurzeit tätig ist. Eine grafisch orientierte Übersicht über den Status der Aufgaben bietet das Kanban-Board. Ist eine Aufgabe erledigt, nimmt das nun freie Team-Mitglied die nächste Aufgabe aus dem Backlog, die Sammlung der noch offenen Aufgaben, sortiert nach Priorität. In diesem Fall könnte die coolste Idee der Welt umgesetzt werden, sobald ein Team-Mitglied frei ist, daran zu arbeiten. Es kann also noch flexibler auf neue Ideen und Erkenntnisse reagiert werden.

    Ein Element, das nicht explizit erwähnt wird (vielleicht weil es schon simpel und selbstverständlich ist): eine neue Aufgabe wird erst begonnen, wenn die aktuelle Aufgabe abgeschlossen ist. Dies ist eine Rahmenbedingung, die auf die Wirksamkeit der Methode einen entscheidenden Einfluss hat (unabhängig von der Methode).

    Fokussieren wir uns auf die Rahmenbedingungen, stellt sich heraus, dass diese häufig einen ebenso großen Einfluss auf das Ergebnis haben, als die Kultur der Organisation und die Persönlichkeit der Menschen, die in der Organisation arbeiten. Der entscheidende Vorteil: Rahmenbedingen könnten leichter beeinflusst werden als Kultur oder Persönlichkeit.

    Kultur als Schatten

    Kultur ist hilfreich, weil sie sich beobachten lässt und Rückschlüsse auf das erwartbare Verhalten innerhalb der Organisation ermöglicht. Sie vereinfacht Kommunikation, lässt sich aber nicht aktiv gestalten. Die Persönlichkeit ist Privatangelegenheit des Mitglieds der Organisation, und diese verändern zu wollen, kann als übergriffig angesehen werden. Eine Aufgabe kann erledigt werden, egal welche persönliche Einstellung, Laune oder welches „Mindset“ jemand hat.

    Welche Rahmenbedingungen gelten, kann häufig tatsächlich entschieden werden, und es kann anschließend danach gehandelt werden. Im Beispiel von oben, kann ein Teammitglied selbst entscheiden, ob es die Aufgabe abschließt oder vorher eine andere Aufgabe bearbeitet. Genauso kann ein Product Owner die Arbeit eines Teammitglieds unterbrechen oder es seine Arbeit beenden lassen, bevor eine neue Aufgabe kommuniziert wird. Das Prinzip „Immer eins nach dem anderen“ sorgt dafür, dass Arbeitspakete erledigt werden, statt immer wieder neue anzufangen.

    Diese Rahmenbedingung ist in vielen anderen Bereichen wirksam. So kann ich z. B. entscheiden, ob ich das Büro eines Kollegen betrete, obwohl das rote „Bitte nicht stören“-Schild sichtbar an der Tür hängt, oder in Teams der „Nicht-stören“-Status gesetzt ist.

    Die Kultur macht sichtbar, ob solche Rahmenbedingungen tatsächlich von allen in der Organisation akzeptiert sind. Wenn z. B. jemand das „Bitte nicht stören“-Schild missachtet oder neue Aufgaben verteilt, obwohl aktuell an etwas Anderem gearbeitet wird, haben individuelle Interessen oder das Dogma unbegrenzter Flexibilität Vorrang vor dem Abschließen von Aufgaben und dem Erreichen eines gemeinschaftlichen Ziels der Organisation.

    Genauso kann es zur Kultur gehören, wenn diese Unterbrechungen mehrheitlich akzeptiert werden. Diskussionen werden vermieden, die Kommunikation ist augenscheinlich im ersten Moment einfacher. Ist auf den Hinweis, dass man nicht gestört werden möchte, zu erwarten, dass man in eine langwierige Diskussion gerät, welche Priorität die höhere sei, wird abgewogen, ob sie besser vermieden wird. Oder es wird formale Autorität genutzt, um die Diskussion abzukürzen.

    Entscheidbares Verhalten

    Das Verhalten bleibt entscheidbar (unterbrechen oder abschließen). Ob Bestrafung oder Belohnung folgen, bestimmt das Verhalten in zukünftigen Situationen – viel stärker als die Methode, nach der gerade verfahren wird. Es ist ebenfalls entscheidbares Verhalten, ob bestraft oder belohnt wird.

    Rahmenbedingungen können viel besser beeinflusst werden.

    „Wie bringe ich die Organisation dazu, eine Methode anzuwenden?“ fragt nach Wissen, dass häufig noch nicht existiert.

    „Welches sind die passenden Rahmenbedingungen?“ ist ein hilfreiches Werkzeug, weil es auf konkretes, entscheidbares Verhalten ausgerichtet ist, das beobachtet und bei dem bei Bedarf neu entschieden werden kann. Daraus kann sich die individuell passende, wirksame Methode ergeben, die Wertschöpfung erzeugt, während oder obwohl man agil arbeitet.

    In einem nächsten Blog-Beitrag möchte ich noch etwas weiter „raus-zoomen“ und mich mit der Frage beschäftigen: „Wenn Agilität die Lösung ist, was ist dann das Problem?“

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